Als 1934 mit der Wiederaufrüstung im 3. Reich begonnen wurde, brauchte man natürlich auch für die Herstellung und Lagerung der Munition, wieder
Munitionsanstalten. Dazu benötigte man für die Tarnung größere Waldflächen, in denen möglichst unerkannt vom Ausland, Munition hergestellt werden konnte.
In diesem Zusammenhang wurde 1934 von dem Luftwaffenministerium über die dafür zuständigen Behörden, der in der Gemeindeflur Neuendettelsau
liegende „Baronswald“ sowie einige Grundstücke von ca. 200ha erworben. Auf diesem Gelände wurde nun eine Luftmunitionsanstalt für Fliegerbomben gebaut. Hier wurden in mehreren Arbeitshäusern, die sich gut getarnt im
Wald befanden, die vorgefertigten Bombenrohlinge, die von der Hauptmunitionsanstalt Langlau angeliefert wurden, zum gebrauchsfähigen Einsatz mit Sprengstoff und Zündern versehen. Die nun einsatzfähigen Bomben wurden
in ca. 80 im Wald verstreuten Erdbunkern gelagert, von wo aus sie mit einer extra dafür angelegten Bahnlinie zu den Militärflughafen nach Katterbach transportiert werden konnten.
Für die Unterbringung des Personals, das für die Leitung und Verwaltung der Muna zuständig war, wie Offiziere, Soldaten und Angestellte, wurden an
der Schlauersbacher- u. Waldstraße Wohnungen gebaut.
In der Zeit meiner Tätigkeit in der Verwaltung der Muna 1936 waren für die Leitung und den Betrieb 1 Major, 1 Hauptmann, 1 Feuerwerker mit 10
Feldwebel u. Unteroffizieren die für die Aufsicht der Bombenfertigung zuständig waren sowie 1 Zahlmeister, 9 Angestellte und ca. 250 Arbeiter beschäftigt. Diese Zahl der Beschäftigten wurde natürlich später und
besonders während des Krieges, ständig erhöht.
Für den Transport der Bomben und des Materials waren einige Lastkraftwagen mit Anhängern eingesetzt, die in Großgaragen an der Waldstraße
untergebracht waren.
Zur Sicherheit und Überwachung der Muna, wurde am Haupteingang an der Waldstraße, ein Wachgebäude errichtet. Dort wurde von einer Wachgesellschaft
eine Wache stationiert. Das Wachpersonal hatte eine besondere Uniform und war mit Karabinern ausgerüstet. Von den Wachposten wurde die Muna Tag und Nacht überwacht, damit kein Unbefugter das Munagelände betreten
konnte. Außerdem wurde aus Sicherheitsgründen der gesamte militärische Bereich der Muna mit einem 2,5 Meter hohen Drahtzaun mit Stacheldrahtabschluß umgeben.
Im April 1945 wurde die Muna von den Amerikanern bombardiert, aber es wurden nur einige Bunker getroffen und teilweise beschädigt. Auch einige
Gebäude wurden dabei leicht beschädigt.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Fertigung der Bomben eingestellt und der Munabetrieb aufgelöst. Den vorderen Teil mit den Wohnhäusern und
Verwaltungsgebäuden erwarb die Ev. Landeskirche und gründete dort die Augustanahochschule. In dem hinteren Abschnitt hat das Bundesliegenschaftsamt Teilflächen mit Gebäuden an interessierte Firmen verpachtet, die
sich dort ansiedeln wollten, um sich unter den damaligen sehr schwierigen Verhältnissen eine neue Existenz aufzubauen. So entstanden dort bis Anfang der fünfziger Jahre die Firmen Strumpffabrik Tauscher,
Kleiderfabrik Löhr, Strickerei Eichhorn, Näherei Schädlich, Näherei Helbig und Seifensiederei Speyer.
Als 1955 die Bundeswehr aufgestellt wurde, hatte man, nachdem wieder Munitionsanstalten gebraucht wurden und in der ehemaligen Muna noch 70 Bunker
gut erhalten waren in Erwägung gezogen, dort wieder eine Muna einzurichten. Gescheitert ist dieser Plan aber in erster Linie an dem entschiedenen Widerstand der hiesigen kirchl. Anstalten sowie der bereits
ansässigen Firmen. Nach zähen Verhandlungen, die sich über einige Jahre hinzogen, einigte man sich mit dem Kompromiß, die Zollhundeschule, die in der ehemaligen Muna in Oberdachstetten untergebracht war, nach
Neuendettelsau zu verlegen und in ihrem bisherigen Standort wieder eine Muna in Betrieb zu nehmen. Auch die hier angesiedelten Firmen konnten nun endlich 1960 die angemieteten Gebäude und Grundflächen von dem
Bundesliegenschaftsamt kaufen und nach der großen Unsicherheit der letzten Jahre, entsprechend den Verhältnissen, weiter aufbauen und investieren. So ist die ehemalige Muna wohl zweckentfremdet, aber für viele eine
neue Existenz und Heimat geworden.
Neuendettelsau, Januar 1997
Hans Löhr
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